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XL. Bd.

Ein ästhetischer Gerichtshof.

(Fortsetzung.)

Der Vorsitzende gab nun ein Nesumä von dem gegen-
wärtigen Stande des Prozesses und forderte die angezwcifclte
Gräfin auf, den Beweis zu führen, daß sie wirklich eine
Künstlerin gewesen sei und demnach zum höheren Bürger-
stande gehöre. Gelinge ihr dieser Beweis nicht, so müßte ihre
Ehe mit dem verstorbenen Grafen für nichtig erkannt werden,
denn derselbe habe versäumt, sich bei seinen Lebzeiten einen
Dispens von seinem Monarchen auszuwirkcu.

Die Verhandlung nahm ihren Anfang.

„Meine Herren," begann das Mütterchen mit sanftem,
aber festem Tone; „Sic werden erlauben, daß ich etwas
gründlich bei einer Sache zu Werke gehe, die für mich und
meine Nachkommen von der allergrößten Wichtigkeit ist. Ich
weiß nur zu gut, wie schwer es einer verblühten Frau werden
wird, die gestrengen Richter von ihrem ehemaligen Glanze
als Künstlerin zu überzeugen. Was Sie jetzt vor sich sehen,
ist nur eine Ruine von dem, was ich einst gewesen. Und
wenn auch mondscheinbeglänzte Ruinen — hier blickte sie
nach der Glatze des Vorsitzenden — in der Romantik eine
Rolle spielen, so betrachtet man dieselben in der prosaischen
Wirklichkeit doch höchstens nur noch von dem Gesichtspunkte
der Nützlichkeit aus: wie man etwa ihr vortreffliches und
reiches Material für sich anderweitig benutze u. s. w. Diesen
Gesichtspunkt hält natürlich auch mein Gegner, der Bruder
meines seligen Mannes, fest. Aber Sie, meine Herren,
werden seine prosaische Anschauung nicht thcilen. Sie haben
gewiß Phantasie genug, um sich lebendig die schöne Ver-
gangenheit vergegenwärtigen zu können. Sie wissen cs ja
selbst recht gut, wie sehr wir Sterbliche alle zu leiden haben
vom Zahn der Zeit, welcher leider der dauerhafteste aller Zähne
ist.

Hier richtete die Sprecherin einen festen Blick auf den
Mund des Vorsitzenden. Dieser strich sich in einiger Ver-
legenheit mit der weißen beringten Hand über seinen gelehr-
ten Schädel, dessen Vordertheil bereits in eine verhängnißvolle
Periode eingetreten war. Er machte bei seinem Hinterkopf
eiligst eine Zwangsanleihe für den Vorderkopf, indem er die
widerstrebenden Haare von dort nach hier beorderte. —
„Mondscheinbeglänzte Ruine!" — „Zahn der Zeit, der leider
der dauerhafteste aller Zähne ist!" wiederholte er, ganz leise
vor sich hinmurmelnd, und wendete sich dann ein wenig nach
der Seite, um mit dem Zeigefinger über die glänzende Reihe
seiner Vorderzähne zu fahren und sich zu überzeugen, ob sie
noch fest stünden und Alles in Ordnung wäre.

Diese Zähne des Herrn v. Hohlfeld glichen in der That
einer Perlenschnur, obwohl sic bereits 60 Jahre bei einem
Bäuerlein in Diensten gestanden hatten, um hartes Schwarz-
brod und zähen Speck zu zermalmen.

„Mich dünkt, dieses Weib führt eine verteufelt anzüg-
liche Sprache; sie wird daher ihren Prozeß nicht gewinnen!"
sagte Herr v. Hohlfeld bei sich und gebot dann mit lauter
Stimme: „Zur Sache, meine Dame, wenn ich bitten darf."

Der Protokollant Levi Guckmaier rieb sich vergnügt die
Hände, als wolle er sie für das Nachschreiben der Verhand-
lung recht geschmeidig machen. Dann erhob er sich, setzte
den Nasenguctscher auf, um die Versammlung mit der Würde
eines Präsidenten zu mustern, und warf zuletzt einen scha-
denfrohen Blick auf seinen Chef, den Vorsitzenden, den er
schon darum nicht leiden konnte, weil derselbe tausend Thalcr
Gehalt bezog. Hierauf setzte sich Levi wieder nieder und sah
ungemein vergnügt darein. In der rechten Hand die Feder

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