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Relief von der Brüstung der Universitätskapelle.

Über die alten Baurisse des Freiburger

Münsterturms.

Von

Karl Stehlin.

Vorbemerkung.

[b der Turm des Freiburger Münsters,
der beste der ausgebauten gotischen
Kirchentürme, von unten bis oben
nach einem einheitlichen Plane auf-
geführt sei oder nicht, zu dieser Frage
nehmen die meisten Autoren, welche sich mit dem
Turme beschäftigen, bald mit längeren bald mit kür-
zeren Worten Stellung.

Für die Einheit des Turmplanes tritt vor allem
F. Adler, welcher dem Gebäude die erste einläss-
liche Untersuchung gewidmet hat, mit der größten
Entschiedenheit ein1. Aber Adlers Studie, so reich
an feinen Beobachtungen und treffenden Urteilen sie
ist, wird gerade in den Partien, welche vom Turme
handeln, durch eine absonderliche Tendenz beherrscht
und verderbt. Der Verfasser hat sich in den Kopf
gesetzt, der Straßburger Dombaumeister Erwin, zu-
benannt von Steinbach, dem er schon bei einem
früheren Anlasse2 die Magisterwürde verliehen hat,
zum Erbauer des Freiburger Turmes zu proklamieren.
Das volle Mondlicht dieser romantischen Dichtung
ergießt sich zwar erst im Schlusskapitel, wo unter
anderem ein am Turme eingehauener Schild mit der
Figur eines Baches als das Steinbachsche Wappen
erklärt wird3, obschon F. X. Kraus in seinen vom
Verfasser selbst4 zitierten Untersuchungen den seither
nicht widersprochenen Satz aufgestellt hat, dass der
Zuname „von Steinbach" dem Werkmeister erst etliche

1 Deutsche Bauzeitung 1881 S. 447 ff.

2 Deutsche Bauzeitung 1870 S. 368.

3 S. 543.

1 S. 531 Anm. 61.

hundert Jahre nach seinem Tode beigelegt worden
sei5. Aber schon das, was in Adlers Artikeln voraus-
geht, ist auf diesen Schlusseffekt zugeschnitten; da
ein Mann wie Erwin von Steinbach natürlich nicht
nur einen halben, sondern jedenfalls einen ganzen
Turm errichtet haben muss, wird die Chronologie
des Baues gleich von Anfang an gewaltsam in die
Periode von Erwins Schaffenszeit gezwängt0. Wenn
die 2,5 m über dem Boden eingehauene Jahrzahl
1270 als Beweis dafür angeführt wird, dass der Turm
im genannten Jahre mindestens bis zu dieser Höhe
gereicht habe, so war das nicht zu beanstanden zu
einer Zeit, da F. Geiges noch nicht dargetan hatte,
dass die Inschrift aller Wahrscheinlichkeit nach erst
mit der andern von 1317 angebracht worden ist7.
Aber daraus im Handumdrehen die These erstehen
zu lassen, der Turmbau könne erst kurz vor 1270
begonnen worden sein, das gehört eher in das Ge-
biet der Taschenspielerkunst als in das der wissen-
schaftlichen Beweisführung. Harmloser, aber eben-
so unstichhaltig ist der Beleg für die Vollendung
des Turmes im Jahre 1301. Die urkundliche Nach-
richt, dass 1301 Glocken im neuen Turme hingen,
setzt lediglich die Vollendung des Glockenstuhles
voraus; dieser ist aber nach Adlers eigener Unter-
suchungs aufgerichtet worden, bevor die Mauern des
Glockenhauses standen. Glockenstühle mussten auch
anderwärts bisweilen lange auf die Umhüllung durch

S. 687.

Kraus, Kunst und Altertum in Elsaß-Lothringen 1 (1876),

S. 448.

Schauinsland 21 (1896) S. 42 ff.

S. 505.
 
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