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Kleine Mitteilungen und Anzeigen.



Zur Deutung der alten Maße an der Vorhalle des Münsterturms.

Von

Dr. Hermann Flamm.

ine an auffälliger Stelle der Nordwand
der Münstervorhalle befindliche Inschrift
mit der Jahrzahl M0CC0XC°V0 zeigt
bekanntlich über einem Zuber, der zu
besserer Illustration mitabgebildet ist, die
Worte: „Der zuber VIII ufgehufot sun einen karren
tuon kolz." Was diese Verordnung bedeutet, ist
nicht ganz unumstritten. Neuerdings hat ihr Karl
Christ im 34. Jahrlauf der Zeitschrift „Schauinsland"
(1907 S. 21 f.) eine kurze Untersuchung gewidmet, in
der er sich gegen Geiges wendet, der im „Schauins-
land" (1894 S. 45) die Stelle ganz richtig, allerdings
ohne die überraschende Genitivform „kolz" zu er-
klären, auf den Kohlenverkauf bezog. Diese Aus-
legung, der auch Kempf und Schuster in ihrem
Münsterführer folgen, erklärt Christ als „eine sprach-
lich ganz unmögliche Deutung des darin vorkommen-
den Wortes KOLZ". Wieso gibt er nicht an, aber
offenbar denkt er an die heutige Deklination „die
Kohle, der Kohle usw.", die eine Form „kolz" aller-
dings ausschließt und die von Christ gegebene Aus-
legung „Kohl" anscheinend als richtig erscheinen
läßt. Jedoch nur anscheinend; gerade die Beziehung
der Stelle auf „Kohle" hat sprachgeschichtlich alle
Gründe für sich. Es müßte überraschen, in Freiburg,
das dem alemannischen Sprachgebiet angehört, statt
der heute noch üblichen Worte „kabus" oder „krut"
die ganz ungebräuchliche Form „kol" zu finden.
Schon deshalb kann der Vorschlag Christs nicht be-
friedigen, und dies um so weniger, als der von ihm
angedeutete sprachliche Einwand in der Tat gar nicht
besteht. Die Bezeichnung für Kohle gehört nämlich
zu den nicht seltenen Worten, die im Lauf der
Sprachgeschichte eine Änderung des grammatikali-
schen Geschlechts erfahren haben. Wir verbinden
zwar heute „Kohle" mit dem weiblichen Artikel und
deklinieren: die Kohle, der Kohle usw., aber diese
Form, die sich aus dem Plural „kole" gebildet hat,
erscheint erst seit dem 15. Jahrhundert und wird erst
seit dem 16. Jahrhundert vorherrschender (vgl. J. und
W. Grimm, Wörterbuch der deutschen Sprache 5
[Leipz. 1873] S. 1582). Nach mittelalterlichem Sprach-
gebrauch dagegen war „Kohle" sächlichen und da-
neben auch männlichen Geschlechts und lautete also

im Genitiv „dez kolz". In dieser Form „kolz" oder
„kols" erscheint der Genitiv in der Tat auch in den
alten Freiburger Zollrodeln aus den Jahren 1355 und
1369, die über die Auslegung des obigen Teils der
Inschrift ganz unzweideutigen Aufschluß geben. Es
heißt da nach dem Rodel von 1369 (H. Schreiber,
Urkundenb. 1, 550):

Von schuller isen git man 4 i> und von Nürn-
berger isen von sehs schinen git man 2 g} ;

von einem zentener mösches oder kupfers oder
zines 1 ß;

von einem zentener bliges git man 2 cj;

von eime zentener stahels von Valkenstein 4 g$;

von einer ballen stahels von Lambarten 1 ß;

von messern von iedem pfunt pfening so sü ko-
stent 4 f) ; von buhse von iedem n rj 4 <j ;

von einem karren kols 2 â> (1355: kolz 1 à>);

von segensen, sichelen und von semlichem gesmide
von iedem « g) 4 y . . herüber ist gesetzet meister
Oswalt smit und Hanman Kupfernagel (1355: meister
Cu°nrat der smit vor Brediger tor).

In diesem Zusammenhang kann nur an Kohle,
d. i. Holzkohle, gedacht werden, die in alter Zeit
als einziges Brennmaterial, das zur Erzeugung größerer
Hitze sich eignete, für alle mit Feuer arbeitenden
Gewerbe und namentlich die Metallgewerbe von
größter Bedeutung war und deshalb in großen Mengen
hergestellt wurde. Der Gemüsekohl, den Christ in
der Münsterinschrift vermutet, wird an richtiger Stelle
am Schluss der Zollrodel erwähnt mit den Worten:

ein karre zibolle oder knoblouch git 4 g$ ;

ein fuoder zibolle oder knoblouch git 8 cj ;

ein karre mit ruoben git 2 ç5 und mit neben 4 ô ;

ein karre kabus git 2 tj und ein fuoder 4 r).

Die Kohle und der Kohl wurden also nach
Karren verzollt; ob der letztere aber auch nach
Zubern, deren acht auf einen Karren gehen sollen,
vermessen wurde, mag bezweifelt werden. Wie die
an dem einen Henkel des Zubers als Aichungs-
zeichen angebrachte Lilie andeutet, sollte gestrichen,
d. h. eben vermessen werden, und eine solche Ver-
messungsart eignet sich wohl für die kleinen Stücke
der Holzkohle, aber nicht für die großen Kohlköpfe,
die nach der Kopfzahl verkauft wurden. Die Inschrift
am Münster kann also auch aus diesem Grunde nur
auf „Kohle" bezogen werden.

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