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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 10.1914

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Beissel, Stephan: Nochmals "Der Fürst der Welt" in der Vorhalle des Münsters zu Freiburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.2546#0031
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Nochmals

,Der Fürst der Welt"
in der Vorhalle des Freiburger Münsters.

)V

Von

P. Stephan Beissel, S.J.

Welt'

Iine der merkwürdigsten Gestalten unter
allen Figuren des Freiburger Münsters
ist die neben dem Eingang zur Linken
der Eintretenden. Sie wird heute fast
allgemein bezeichnet als „Fürst der
Im IX. Jahrgang der Münsterblätter hat
Prof. Dr. Rudolf Astnus S. 42 f. diese Bezeichnung an-
standslos angenommen und darauf hingewiesen, wie
Julianus Apostata in seinem Gastmahle den Kaiser
Tiberius in die Versammlung der Götter eintreten
lässt. Seine Gestalt erschien schön; als ersieh jedoch
umwandte, sah man auf seinem Rücken „unzählige
Wunden". Diese Erzählung soll zurückgehen auf
Plutarch, wonach Dike den Leib der Bösen im Jen-
seits öffne, so dass man die mit Schmutz bedeckte
Seele sehen könne. Dies sei besonders beim „Fürsten"
Nero geschehen. Auch Lucian sage, die Seelen der
Bösen, besonders der Tyrannen, seien durch Brand-
markungen in der Unterwelt kenntlich. Die letzte
Quelle solcher Erzählungen soll Plato sein, nach
dem die Bösen, besonders wieder Tyrannen, in der
Unterwelt „auf ihrer Rückseite Abzeichen alles dessen
trügen, was sie verübt haben". Asmus schließt dann:
Weil „der Fürst der Welt" in Freiburg auf dem
Rücken allerlei Ungeziefer hat und jene vier alten
Schriftsteller melden, in der Unterwelt würden be-
sonders schlechte Fürsten dadurch gestraft, dass man
ihre Seelen oder ihren Rücken verunstaltet sehe,
ist die Vorlage für die Darstellung des Freiburger
„Fürsten der Welt" in der Antike „in letzter Linie
bei Plato zu suchen". Asmus fordert dann auf, zu
untersuchen, „auf welchem Wege die von orphisch-
pythagoreischen Vorstellungen beeinflussteplatonische
Idee in den Gedankenkreis des christlichen Mittel-
alters gelangte und wie sie hier im einzelnen aus-
gestaltet wurde". „Sie soll für die genetische Deutung
der Darstellungen des jüngsten Gerichtes nutzbar
werden."

Gehen wir auf seine Anregung ein, so ist zuerst
zu untersuchen, ob es sich denn in Freiburg über-

haupt um einen „Fürsten" handle. Das ist jedoch in
keiner Weise bewiesen. Wir sehen einen jungen
Stutzer, der in der Linken seine Handschuhe trägt,
in der Rechten einen Blumenstrauß und auf dem
Haupte ein Band, an das Blumen angeheftet sind.
Zepter und Krone, die mittelalterlichen Kennzeichen
aller Fürsten, fehlen ihm. Dieselbe Figur erscheint
einige Jahre später in Verbindung mit den törichten
Jungfrauen zu Straßburg, dann zu Basel. In Straß-
burg trägt sie freilich eine eigenartige Krone, die
allenfalls als Fürstenkrone gelten könnte, jedoch
keinen Zepter, mit der Linken ergreift der „Fürst"
sein Gewand, in der Rechten zeigt er einen Apfel.
Am Münster zu Basel hält der Stutzer, wie zu Frei-
burg, in der Linken seine Handschuhe; er ist mit
Rosen bekränzt und erhebt die Rechte, welche
jetzt infolge einer Restauration leer ist. Er hat
nichts Fürstliches, weder in seiner Tracht, noch in
seiner Haltung1.

Die Freiburger, Straßburger und Baseler Stein-
metzen sowie ihre Berater mussten doch, wenn sie
den „Fürsten dieser Welt" darstellen wollten, sich
an die Heilige Schrift erinnern. In ihr aber ist der
Princeps huius mundi immer der Teufel2, der doch
anders zu charakterisieren wäre. Man hat den Frei-
burger „Fürsten dieser Welt" als Umwandlung der
„Frau Welt" erklärt3. Aber was hat er mit ihr
gemein? Dies, dass er wie sie die Menschen ver-
führt. Frau Welt3 hat freilich sowohl in der Ge-
schichte des fränkischen Ritters Wirnt von Graven-
berg („Der Welt Lohn") als auch bei Heinrich von
Meißen wie der „Fürst der Welt" den Rücken

1 Abbildung der Figur von Freiburg in diesen Blättern IX S.43,
derjenigen von Straßburg S. 44, der Baseler bei Kurt Moriz-
Eichborn, Der Skulpturenzyklus in der Vorhalle des Freiburger
Münsters. Straßburg 1899 S. 293: vom Verleger, Herrn Paul
Heitz in Straßburg, uns gütigst für vorliegenden Wiederabdruck
zur Verfügung gestellt.

- 2 Jo. 12, 31; 14, 30; 16, 11. Vgl. Lk. 46; Mt. 12, 24.

3 Karl Schäfer, Frau Welt, eine Allegorie des Mittelalters, in
Schauinsland XVII (1891),58 f. Jos. Sauer, Symbolik des Kirchen-
gebäudes. Freiburg 1902 S.368f. Moriz-Eichborn a.a.O.7f., 57,67.
 
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