Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

DOI Heft:
Nr. 41 (7. Oktober 1899)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0236
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 41

JUGEND

1899


DM?

M AEEE Pi SEEL

ColombirjP Ipü>p lachpInd •' Ruht in SPinprn nrn
Naht diplanTp- doch pr bchPuchPt-' Sip zurück i
Mit dPm ZwinKPrn spiopp Augpn

.CASPAH1

„Tugendhafter Turin, Du wahrhaft guter
Mensch, mein treuer Diener, geh' ein in meinen
Frieden."

„Der Witz ist nicht schlecht," spottete der
Asket.

„Nie in meinem Leben bin ich ernsthafter
gewesen", versetzte Ormuzd. „Du hast, Turiri,
die Vernichtung Deines Weibes gewünscht,
weil sie nicht sanft und nicht schön gewesen;
die Vernichtung der Bettler, weil sie lästig und
von häßlichem Anblick waren, diejenige Deiner

Maitresse, weil sie Dir
der Kutscher und ihrer
Pferde, weil sie Dich
zu langweiligem Aufent-
halt zwangen; des Ge-
lehrten Carvilaka, weil
er nicht Deiner Meinung
gewesen und des Au-
tors des Stückes, weil er
mehr Erfolg als Du hat-
te. All' diese Wünsche
waren durchaus natür-
lich. Die Mordthaten,
deren Maitrega Dich
zeiht, waren, ohne Dein
Wissen, die Wirkung
Deines ersten Wunsches,
jenes Wunsches, dem
Niemand zu gebieten ver-
mag. Naturgemäß haßt,
man, was stört und hin-
dert, und ebenso natur-
gemäß wünscht man die
Vernichtung dessen, was
man haßt. Die Natur
ist egoistisch und der
Name des Egoismus ist
Zerstörung. So beginnt
im Herzen auch des tu-
gendhaftesten Menschen
das Verbrechen, die Sün-
de; und die einem Sterb-
lichen verliehene Macht,
bei jeder Gelegenheit sei-
nen ersten unwillkür-
lichen Wunsch zu ver-
wirklichen, hätte die Erde
bald entvölkert. Das ist
es, Turiri, was ich durch
Dein Beispiel zeigen
wollte. Doch nach ihrer
zweiten Regung nur be-
urtheile ich die Men-
scheu; denn sie allein
steht in ihrer Macht.
Ohne die geheimnißvolle
Gabe, die. von Dir un-
gewollt, Deinen letzten
Tag so mörderisch mach-
te. wärest Du fortge-
fahren, ein wohlthätiges
Dasein zu führen. So
ist es nicht Deine Natur,
die ich zu beachten habe,
sondern Dein Wille, der
gut war und stets be-
strebt, die Natur zu zü-
gelu und mein lücken-
haftes Werk zu vervoll-
kommnen. Unddeßhalb,
mein lieber Mitarbeiter,
öffne ich Dir heute mein
Paradies."

„Nicht übel", sprach
Maitrega; „welche Be-
lohnung gewährst. Du
dann aber mir?"

„Dieselbe", erwiderte
Ormuzd, „obgleich Du
sie nur halb verdienst.

thöricht erschien, die

Du warst ein Heiliger, aber Du warst kein
Mensch, höchstens durch Deinen Hochmuth. Es
gelang Dir, die erste Regung in Dir zu er-
sticken; wenn aber alle Menschen lebten wie
Du, die Menschheit wäre noch schneller ver-
nichtet als durch die verhängnißvolle Macht,
die ich eines Tages meinem Knecht Turiri ge-
währte. Ich will nun aber, daß die Mensch-
heit bestehe, denn sie ergötzt mich und ihr An-
blick ist zuweilen schön. Auch Dem Bemühen,
lender Asket, entbehrte nicht ganz der Schön-
heit und ich verzeihe Dir darum den wahnsinn-

igen Jrrthum. So empfange ich denn Turiri
in meinem Schooße, weil ich gerecht, und Dich,
Maitrega, weil ich gütig bin."

„Aber...." wandte Maitrega ein.

„Ich habe gesprochen."

Die gute Freundin

_ Sie konnten sich schon früher nicht aus-
stehen und, daß beide Linen Vogel in's Garn

haben wollten, gestaltete
ihre Beziehungen eben
nicht zärtlicher, zumal
er leider nur einer von
beiden in's bessere Jen-
seits der Ehe verhelfen
konnte.

Kurz vor dem Polter-
abende suchte die an-
dere mich heim.

„Mein verehrter Uerr
Doktor! mein lieber perr
Doktor!"

Line dunkle Ahnung
warf ihre Schatten durch
meine Seele. Ich wußte,
was in ähnlichen Fällen
kam. Aber hier? Das
war doch nicht möglich!

„Sie wissen doch/inei-
ne beste Freundin hei-
rathet nächstens — o
wie gönne ich's ihr, der
guten Seele! — und
da muß ich doch wohl
oder übel zum Polter-
abende — "

„Und wie wünschen
Sie es?" unterbrach ich
sie resignirt, „lang oder
kurz? gereimt oder in
Distichen? liebevoll oder
boshaft?"

„Um Gotteswillen,
nur nichts Bösartiges!
Bedenken Sie doch, mei-
ne beste Freundin!"

Ich erstarrte, wo
blieb da der Haß, die
Rachsucht, der Futter-
neid ?

„Ls gibt doch noch
edle Frauen!" rief eine
Stimme in meinem In-
nern.

„Aber bitte, ja recht
gerührt, so rührend als
möglich!" tönte es von
den Lippen des wackeren
Mädchens.

Ich war überwältigt.
Alles nahm ich in der
Stille zurück, alles was
je Nichtswürdiges über
das schönere Geschlecht
dem Gehege meiner Zäh-
ne entflohen war.

Sie aber — während
sie mir das Händchen
zum Abschied reichte,
flüsterte sie lächelnd:
„Im vertrauen, Herr
Doktor, sie ist nämlich
sehr rührselig, und wenn
sie weint — aber das
bleibt unter uns —wenn
sie weint, kriegt sie 'ne
rothe Nase!"

Reinhard Volker

Gedicht von 0. E. Hartlehen

66 4
Register
Reinhard Volker: Die gute Freundin
Walter Caspari: Zeichnung zum Gedicht "Die alte Distel"
Otto Erich Hartleben: Die alte Distel
 
Annotationen