Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1901

JUGEND

Nr. 12

Staunen ergreift Alle bei dem Zuhören. —
Daß der Vberst so grob werden könnte, hat selbst
sein Adjutant noch nicht gewußt.

„Verfnscht, verfnscht," tobt der Kommandeur,
„die ganze Uebung ist verfnscht, aber ich will es
Ihnen gedenken, meine Herren, darauf können
Sie sich hoch und heilig verlassen! Nicht die ein-
fachsten Sachen kann man durchfuhren, wenn man
ein solches Vffizierkorps hat, wie ich es zu be-
sitzen die Ehre habe."

Er dnrchhant den Knoten, der (Oberleutnant
wird zurückgeschickt, er soll nachher noch einmal
angreifen, wenn Menrer erschienen ist — aber
kaum ist der (Oberleutnant ans Befehl wieder
verschwunden, da taucht ein neuer Kämpfer auf,
der nach der Uhr eine halbe Stunde später als
Menrer in das Gefecht eingreifen sollte.

Der Vberst faltet die Hände um den Hals
seines Pferdes.

„Ich gebe es auf, ich gebe es ganz auf —
mit solchen (Offizieren kann ich nicht fechten.
Hornist, blasen Sie den Vffiziersruf."

Die (Offiziere eilen zur Kritik herbei, die Be-
rittenen und die Unberittenen, sie Alle will der
Kommandeur um sich haben.

Jetzt sind sie versammelt, Alle, Alle, Allez und
hoch auf richtet sich der Herr Vberst in den Bügeln.

„Die Uhren heraus, meine Herrn," befiehlt er.

Ls geschieht — tiefstes Schweigen herrscht,
Keiner wagt laut zu athmen, selbst die Uhren
wagen nicht laut zu ticken.

„Herr Leutnant von Uleurer, wie viel ist Ihre
Uhr?"

„Elf Uhr und fünfunddreißig Minuten, Herr
Vberst," lautet die Antwort.

„Meine Herren, ich bitte keinen lViderspruch,"
donnert der Kommandeur, als ein geheimnißvolles
Flüstern und Tuscheln durch das Vffizierkorxs
geht, „ob die Uhr richtig oder falsch zeigt, habe
ich ganz allein zu bestimmen."

Er greift in die Tasche und holt seine Uhr
hervor. „Meine Herrn, die Kriegsuhr ist maß-
gebend, sie allein, und die Kriegsuhr ist jetzt —*

Aber weiter kommt er nicht — mit blödem
Lächeln blickt er auf das Zifferblatt, dessen Zeiger
genau auf elf Uhr weisen.

Er betrachtet den Stunden-, den Minuten- und
den Sekundenzeiger und langsam wird es Tag
in seinem Gehirn.

Die Kriegsuhr steht!

„Ich danke Ihnen sehr, meine Herren," und
dann: „Hornist, blasen Sie, das Ganze sammeln!"
das ist Alles, was der Kommandeur sagen kann,
so sehr lähmt ihn der Schrecken.

Hans Rossmann (München)

Die Kritik ist zu Ende, das Regiment rückt
nach Haus und an der Spitze seiner Truppe reitet,
in tiefes Nachdenken versunken, der Herr Vberst.

Ihn quält die Frage: „Ist die Uhr gestern
Abend um elf oder heute Morgen um elf stehen
geblieben?"

Er denkt nicht daran nachzusehen, ob seine
Uhr aufgezogen ist, er zerbricht sich den Kopf
darüber, daß Neurers Uhr und seine die einzigen
sind, die dieselbe Stunde, wenn auch nicht dieselben
Minuten anzeigen.

Er winkt den Vffizier zu sich heran und ver-
langt Aufklärung, aber als er gehört hat, daß
Menrer die Zeit von dem vorbeireitenden Adju-
tauten erfragt hat, wird der Vberst sehr grob
und sperrt den Leutnant drei Tage ein.

Der Leutnant aber schwört im Stillen einen
Lid, seine Uhr fortan lieber nach dem Mond, als
»ach der einzig und allein maßgebenden Kriegs-
uhr stellen zu wollen.

Komm mit!

Derweil in Ruh ich faß
Und Bücherweisheit las,

Jnm Fenstersims stog ein Spätzlein heran,
Das Hub mit mir zu schwächen an:
„Tzt-witt, tzi-witt!

Lamm mit, komm mit!

Sieh', welche Wonne ist gescheh'n:

Heut ist das erste Grün zu seh'nl
Tzi-witt, tzi-witt!

Komm mit, komm mit!"

O loser Vogel du,

Du nahmst mir meine Ruh!

Ich hör' nicht mehr im Buch das Wort,
Hör' nur die Lockung fort und fort:
„Tzi-witt, tzi-witt!

Komm mit, komm mit!

Sieh', welche Wonne ist gescheh'n:

Heut ist das erste Grün zu feh'n!

Tzi-witt, tzi-witt!

Komm mit, komm mit!"

Dkeockor Fröberg

vom Lngelcheri,

das sich schwarz gemacht hatte

SM Himmel ging's heute hoch her. Lhristkinds
Wiegenfest wurde gefeiert mit Lhokolade und
Pfannkuchen, und Nachmittags war die Schule
geschloffen.

181
Register
Reinhard Volker: Vom Engelchen, das sich schwarz gemacht hatte
Theodor Fröberg: Komm mit!
Hans Rossmann: Zierleiste
 
Annotationen