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J UGEND


1903

Nr. 32

Cardinal Rampolla JuL Diez

„Hab' vor dem Menschen ein heimlich Grauen,

Und halt ihn für einen Schelm dazu!

Gott verzeih' mir's, wenn ich ihm Unrecht rhu'." (Goethe, „Zaust".)

Der Herr Staatssekretär a. D.

Des dreizehnten Leo Lebensschiff
Ist nun gesunken zum Grunde,

Als heimathlose Ratte schwimmt
Rampolla zu dieser Stunde.

Er war so lange Vicepapst,

Erfahren in allen Künsten,

Jetzt ist er ein simpler Pensionist
Auf Wartezeit außer Diensten.

Aus Leibeskräften rudert er,

Um wieder an Land zu reisen
Und sich auf den verwaisten Thron
Des Papstes durch zu beißen!

Und wird er auch selbst nicht Pontifex
Trotz aller schlauen Bravouren,

So wühlt er vielleicht für einen den weg
von seinen Lreaturen!

vom Standpunkt eines Papabile ist
Er in dem Lebensgarten
Erst eine junge Knospe und kann
Bis zum nächsten Lonclave warten!

Krokodil

F^äseler-fßarscb

Tin altes Lied mit neuem Tert

So leben wir, so leben wir, so leb'n wir alle Tage,
Bei der abstinenten Saufkompagnie,

Des Morgens Master klar und rein,

Des Nachmittags Kaffee,

Des Abends bei dem Mädchen
'ne Taffe Thee.

Assyrisches Miegenliecl

Schlafe, schlaf' mein Knabi,

Sonst kommt der Hamurabi
Und schreibt Dir seinen Codex
Mit Keilschrift auf den Podex!

R. V.

Epistolae virorum obscurorum
novissimae

X.

Filucius Vulpianus caplanus commu-
nis1) e familia papali Domino Taddaeo
S cmelbrösliö caplano communi ex alia fa-
milia S. D.

Magnus dolor, ut audivisti, amatissime con-
frater, in nostra familia exstitit, cum papa
noster mortuus sit. Erat enim Bonus pater,
de quo permulti nos viximus, et optime vixi-
mus, quamquam in carcere eramus. Vides
ergo, confrater, quod omnia proverbia2) nihil
valent. Nam unum proverbium Francorum
dielt: „Qui mange du pape, s’en meurt“,
sed nos edimus de papa jam vicesimum an-
num nec mortui sumus per eum. Potius
is per illos mori potuisset, qui de eo ederunt;
papa noster autem tenax8) erat nec alter al-
terum perdidit usque ad finem. Nunc finis
est, et omnes Vaticano exire debemus. Sed
solamen nobis manet, quod non inanes abi-
mus,4) cum nostram oviculam 5) jam in sicco
habemus. Et si prudentes sumus in electione
nostri papae, sicut adeo possibile est, quod
unam novam ovem tondendam recipimus.

Electio papae! Tu naturaliter scire velis,
quis elegitur. O te miserum! Si hoc scirem,
tibi non scriberem. Unus prophetarum vest-
rorum, quem Busch i um nominatis, dicit:
Papa fieri non difficile est. Hic, in-
quam, in via lignorum 6) est. Unus nostrorum
prophetarum, quem Malachiam nominamus
dicit: Ignis ardens papa fiet. Credo,
quod etiam in via lignorum est. Nam in
six papabiles ignis ardens jam pertinet, et
six certantibus septimus gaudet.

Sin autem nunc crederes, quod forte7)
Dal lerus seu Capitulus seu alius vest-
rorum fieret, tu maxime in via lignorum es.
Nam quid dixit Georgius Hirthus in
articulo suo „Niger Sacerdos et Flavus

Snobus?“8): Flavae animae sunt servi
Romae, exclusi omnibus summis honoribus
et omni potestate ecclesiae papalis. Id est:
Vos estis stupidiores. Quare te saluto.

Datum ex Urbe, a. d. VI cal. Sextil.
MDCCCCIII.

i) „Gemeine Capläne“ gab es in der „Familie des
Papstes“ (seinem Hofstaat), ausserdem zahlreiche „Ehren-
capläne“, „geheime Kleriker“ etc. etc. 2) Sprichwörter.
s)Zäh. 4) Mit leeren Händen abziehn. 5) Schäflein. 6) Holz-
weg. 7) Vielleicht. 8) Schwarzer Pfaff und blonder Snob.

Rn Ruperio-Carola

Run wird es mir ä tempo wohl und weh um
Das Herz, nachdem ich hörte, es begeht
Zur Zeit ihr hundertjährig Jubiläum
Die Heidelberger Universität!

(Das heißt: schon 1386
ward sie gegründet, doch sie hat auf's Reu'
Sich erst gewissermaßen recht gemacht sich
Durch Markgraf Larl seit 1803!)

Alt Heidelberg! Du allerpopulärster
Der deutschen Hochschul-Ramen weit

und breit,

Dem nicht blos Scheffel, nein, auch

Meyer-Förster

Mit Kunst verholfen zur Unsterblichkeit!
Bei Deines Ramens Klang wird meiner Seele
So seltsam sehnsuchtsvoll und wonneschwül
Und stark bemerkbar macht sich in der Kehle
Sofort ein intensives Durstgefühl!

Alt Heidelberg! Mir ist, als wär' es gestern,
Daß ich, die Brust von Burschenlust gebläht,
Zur Zier gereicht in mehreren Semestern
Der altberühmten Universität!

Jedwede Art von besserer Empfindung
verschönte dort mein jugendlich Gemüth:
wie Hab' ich für die Farben der Verbindung,
Für grün-gelb-lila dort so heiß geglüht!

wie hat mich schier begeistert bis zu Thränen,
Der Bau, den einst Dtt-Heinrich konstruirt,
Und der nach eines Herrn Professors Plänen
Jetzt nigelnagelneu verfchäfert wird!
wie Hab ich bei beträchtlicher Befeuchtung
Beim Schloß dort oben nächtelang gelärmt
Und bei bengalisch festlicher Beleuchtung
Für Freiheit, Recht und Vaterland geschwärmt!

Alt Heidelberg! Du kamst dem Sohn

der Musen

Gar oftmals wie der Himmel selber vor,
wenn er, an einer holden Jungfrau Busen,
Derselbigen auf ewig Treue schwor!
wie oft am Arme Käthe's, oder Malis
Hab' ich geschwänzt das herrlichste Lolleg
Und schweifte mit der filia hospitalis
Bergstraßenwärts zum Philosophenweg!

Alt-Heidelberg! Roch fühl' ich unvermindert
Den Zauberglanz, mit dem du mich beschienst!
Doch hinzureisen haben mich verhindert
Familienpfiichten jetzt, sowie der Dienst!
Doch schleunigst kühle ich in der Terrine
vier Flaschen Mosel, Sekt und Ananas
Und schlürfe dies, Ruperto Caroline,

Auf daß Du vivas, creseas, Koreas!

Biedermeier mit si

Die Häupter des Proletariats

(Sommerliche Zeitungsnotiz)

Auch die sozialdemokratischen Parteihäupter
haben den städtischen Staub von den Füßen ge-
schüttelt und sich auf ihre Landsitze, Villen
und Schlösser begeben.

;86
Register
R. V.: Häseler-Marsch
Krokodil: Der Herr Staatssekretär a.D.
Biedermeier mit ei: An Ruperto-Carola
[nicht signierter Beitrag]: Epistolae virorum obscurorum novissimae
R. V.: Assyrisches Wiegenlied
Julius Diez: Cardinal Rampolla
[nicht signierter Beitrag]: Die Häupter des Proletariats
 
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