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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.4389#0324
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interessanter. Unangenehm dagegen fällt mehreres
auf, vor allem R. M. Eichler mit seinem abgeschmackten
„Naturfest", das der Menschheit bereits voriges Jahr in
Düsseldorf die Laune verdorben hat. Hier fügt er ihm
noch zwei kreidige Stillleben und mehreres Andere hin-
zu, von dem ich nicht verstehe, ob er es ernst genommen
haben will.

Auch Walther Georgi wirkt hier nicht. Seine
, Jugendblätter" haben uns erfreut und besonders seine
Wandbilder, in denen er aus der Not jener freiwilligen
Unbeholfenheit der Technik eine Tugend macht, ein
eigenes Stilgefühl entfaltet. Was für eine manierierte Idee
ist es aber, wenn er diese Eigenart unverändert und
unvermittelt hier auch in den Ölbildern entwickelt!

Das Beste der Ausstellung bietet sicherlich ein
kleiner Raum mit Möbeln von Pankok und den Werk-
stätten. Eine Art Schrank oder Kommode, in an-
sprechender Form, ist durchaus mit kleinen qua-
dratischen Plättchen fourniert, wobei jede zusammen-
treffenden Zwei die Maserung verschieden gedreht
zeigen, und somit die sonst glatten Flächen auf das reiz-
vollste gemustert sind. H. W. S.

AUS WIEN

Man konnte bei Artaria eine Sammlung von Bronzen
und Impressionen in Wachs von Medardo Rosso sehen.
Rosso, von Geburt Piemontese, stellte seine ersten im-
pressionistischen Plastiken schon 1883 in Mailand und
Venedig aus, 1886 in Paris, wo er, fortan arbeitend,
Rodin sein Ziel vielleicht erst zeigte. Die ausgestellten
Werke illustrieren seinen berühmt gewordenen Glaubens-
satz: „Rien n'est materiel dans l'espace", zeigen wie
unerhört Rosso die Materie durchgeistigt und jede
Form in Ausdruck auflöst. Aus dem Jahre 1889 stammt
„Malade ä Thopital", wo in der Figur des im Lehnstuhl
Sitzenden nur die grosse Impression des Geknickten und
Gebrochenen gegeben ist, aus dem Jahre 1891 „La
Rieuse" bisher wohl sein schönstes Werk, bleibend als
Ausdruck harmlosen Gelächters, aus dem Jahre 1892
„Enfant malade", in dessen müd gesenktem Kopf mit
leisen Mitteln ein tiefes Weh gestaltet ist, aus dem Jahre
1893 „La femme ä la voilette", die Rosso auch „Im-
pression du boulevard" nennt und deren verschleiertes
Antlitz Gelegenheit giebt zu unaussprechlich reizvollem
Spiel zartester Lichttöne.

Im Palais des Ministerratspräsidiums wurde durch
adelige Damen eine Ausstellung von Miniaturen ver-
anstaltet, die als vornehmlich aristokratische Familien-
kunst in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
bei uns in Blüte standen. Die reinsten Freuden
bieten sie dem Kulturhistoriker als nicht zu missende
Quelle für die Kenntnis der Menschen vom Übergang
des achtzehnten ins neunzehnte Jahrhundert. Artistischen
Wert besitzen sie nur, wenn sie ein Künstler ergriff,

was nicht zu oft geschah. Daffinger war bekanntlich der
bedeutendste Vertreter der wiener Miniatur, der nach
der Grabschrift, die Grillparzer dem früh Verstorbenen
setzte, die Natur und die Frauen stets im Brautschmuck
sah. Isabey, der Genialste unter den Franzosen, gab
seinen Miniaturen die elegante Geste der pariser Salons
und, da er Hofmaler Napoleons war, auch die pathe-
tische Note feierlichen Zeremoniells. In England schufen
die Cosways Miniaturporträts von jener höchsten Frei-
heit und Vornehmheit der Haltung, von der man nicht
weiss, ob sie aus der englischen Gesellschaft in die Por-
träts von Reynolds und Gainsborough oder aus den
Bildern dieser Meister in die englische Gesellschaft kam.

Hugo Haberfeld

PIETRO CANONICA

Man wurde bei Pietro Canonica durch das Spiel der
Hände angezogen, der feingliedrigen Finger, die, leicht
an das Kinn oder die Wange gelehnt, den Eindruck der
Nachdenklichkeit unterstützten oder hervorriefen, trotz-
dem die Büsten aus Italien kamen. Jetzt sieht man im
Palais Arnim in Berlin (auf dem zukünftigen Terrain
der Akademie), in dem der Kultusminister einige Säle
dem Künstler zur Verfügung stellte, eine Sammlung
von Canonicas Werken.

Ein sehr schöner Ausstellungsraum. Das Palais, zu-
rückgezogen am pariser Platz gelegen — mit einem
grossen Hofplatz, auf den die Sonne scheint — durch
die weite Einfahrt hindurch blickt man nach dem pariser
Platz zurück, mit den vorüberflutenden Menschen und
im Hintergrunde dem gegenüberliegenden Hause der
französischen Botschaft — auf breiten Stufen steigt man
zum ersten Stock empor und hier sieht man die Büsten
der Frauen, die von der Natur so begnadet wurden, so
selten schön sind, zugleich so gebildet scheinen. Den-
noch bleiben wir keinen Augenblick über das Künstliche
dieser Büsten im Zweifel. Wir denken an den Kopf
der Brasilianerin von Rodin im Luxenbourg, vergleichen
innerlich mit dieser hinreissenden Darstellung einer
Frau die beiden Canonicaschen Schöpfungen: die etwas
reichlich süssliche Büste eines Mädchens, die in den Be-
sitz der Nationalgalerie überging und die Büste der
wunderschönen Fürstin Doria-Pamfili, und finden, dass
ganz einfach der italienische Bildhauer hinter der Ent-
wicklung zurückgeblieben ist. Er ähnelt fast allen seinen
Landsleuten, beherrscht das Handwerk und ist süsslich.
Seine Abweichung von seinen Landsleuten scheint nur
äusserlich zu sein, seine Zusammengehörigkeit mit ihnen
stellt sich jedoch als unbestreitbar dar. Er wird aller-
dings, das muss man immer wieder betonen, durch
wunderbare Modelle unterstützt.

Einen abweichenden Typus unter ihnen bildet die
Herzogin Helene von Aosta, die Schwester des fran-
zösischen Kronprätendenten. Hier begegnet uns das

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