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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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AUS DRESDEN

Die in Ernst Arnolds Kunstsalon eröffnete vorzüg-
liche zweite Ausstellung vonHandzeichnungendeutscher
Künstler hat sich eine andere Aufgabe gestellt als ihre
Vorläuferin. Damals, im Jahre 1896, gelangten bis zu
einem gewissen Grade abgerundete Arbeiten, nament-
lich viele Illustrationen, zur Schau. Jetzt findet man nur
Naturstudien, die vom Künstler an Ort und Stelle, oder
vor dem Modell, zur späteren Verwertung, geschaffen
worden sind. Unter Hinzuziehung namhafter Autori-
täten wurde ein verständnisvolles, den zur Verfügung
stehenden Räumen angepasstes Programm ausgearbeitet
und der Verfasser des Katalogvorworts, Herr Schrift-
steller Walter Hofmann, begab sich auf Reisen, um eigen-
händig aus den Ateliers der Künstler das beste und ge-
eignetste Material herauszuholen, dennbekanntermassen
bildet ein persönliches Vorsprechen den einzigen Weg,
der hier zu glücklichem Erfolg führt.

Bei derartig sorgfältiger Vorbereitung konnte es nicht
ausbleiben, dass die Veranstaltung zu einem wichtigen
Ereignis geworden ist. Trotz der verhältnismässig eng
gezogenen Grenzen fällt die Vielseitigkeit der Ausstellung
merklich auf. Einen Begriff davon erhält man schon, wenn
man die vertretenen Namen erfährt, unter denen sich
P. Baum, L. Dill, O. H. Engel, L. Fanto, O. Fischer,
A. Gaul, O. Greiner, C. Grethe, R. Haug, T. T. Heine,
A. Hölzel, L. von Hofmann, L. v. Kalckreuth, A. Kampf
M. Klinger, K. Kollwitz, G. Kuehl, W. Leistikow, M.
Liebermann, G. Lükrig, S. Schneider, G. Schönleber,
F. Skarbina, T. Stadler, R. Sterl, W. Steinhausen, Schmoll
von Eisenwerth, H. Thoma, W. Trübner, F. v. Uhde,
H. von Volkmann und Andere vorfinden. Da es neuer-
dings ja scheinbar nicht mehr ohne Rückblicke gehen
will, hat man ihnen Arbeiten der verstorbenen A. Feuer-
bach, W Leibl, A. Lier, H. von Marees, L. Richter,
M. v. Schwind und S. L. Wenban zugesellt.

Wer sich allein vornimmt, die Akte auf der gegen-
wärtigen Ausstellung zu studieren wird Material zu den
fesselndsten Vergleichen finden. Von Feuerbach sind
einige Prachtstücke dabei, für ihn von einem merk-
würdigen Realismus, und doch ein Realismus der him-
melweit von dem unsrer Tage ist, da sich die Künstler
wieder Dürers scharfe Auge ohne dessen Zurückhaltung
angewöhnt haben. Ganz neu ist Klingers Aktzeichnung
gegenüber seinen früheren aus der Zeit der Brahmsphan-
tasie. Es ist alles viel einfacher geworden, mit den Strichen,
mit der eigentlichen Handhabung überhaupt, wird viel
mehr Haus gehalten; und alles lässt die spätere Ver-
arbeitung in Plastik schon durchblicken oder ahnen. Es
ist als könnte der Meister den lebenden Körper gar
nicht mehr als solchen sehen, sondern erblickte in ihm
schon die zukünftige Statue, als ob sein Auge nicht mehr
empfangend wahrnähme, sondern sofort thätig das sich
Bietende umschaffte.

Statuarisch in einem ganz anderen Sinne sind zwei vor-
zügliche Skizzen von Lührig. Er hat scheinbar unter

scharfem künstlichen Licht Aktgruppen mit Rücksicht
auf die Komposition gestellt, und nun in schnellen Zügen
die feinen Bewegungen festgehalten. Die Akte von
Kampf beweisen ein seltenes Können, das sich bei aller
Fähigkeit, der kleinsten Äusserung der Form nachzu-
gehen, doch nicht in trockene Ode verliert. Aber merk-
würdig unstofflich glänzt bei ihnen allen die Haut uns
entgegen. Die sechs ausgestellten Blätter von Marees ge-
hören wohl mit zu dem Besten was man von ihm kennt.
Die Fehler, wenn man es so plump bezeichnen darf, ver-
schwinden hier ganz gegenüber dem Eindruck der Gross-
zügigkeit, den diese Zeichnungen hervorrufen.

Ähnlich lassen sich bei den vielen Landschaften Ver-
gleiche ziehen. Auch dann hat man kaum die Hälfte
der Ausstellung beachtet. Es giebt darüber hinaus noch
die prächtigen Hafenstudien Grethes, mit ihrer Farben-
feinfühligkeit, die rührende religiöse Romantik des
wunderbaren Steinhausen,den trefflichen Skarbina, dessen
Bestes hier im Schein wie im Geist Menzel überraschend
nahe steht, den ernsten Sterl, dessen echte und wahr-
hafte Überzeugung so anmutend aus jedem noch so
kleinen Werke uns entgegenleuchtet, die kraftvolle Koll-
witz, die das vom Schicksal ererbte Gebiet nun allmäh-
lich wirklich erwirbt um es zu besitzen, und andere noch,
zu deren Aufzählung der Platz fehlt. Es ist ein hoff-
nungsvolles Zeichen, dass die Reihe unsrer Ausstellungen
in dieser Saison so würdig eröffnet worden ist.

H. W. S.

AUS WIEN

Anfangs November wurde in der Galerie Miethke
der Nachlass von Rudolf Ribarz versteigert, der nach
schwerem Siechtum vor einem Jahre gestorben ist. Noch
einmal wurde man aus lebendiger Nähe an einen unserer
besten Maler erinnert, ehe er sich in die Kunstgeschichte
entfernt. Obwohl in Wien 1848 geboren, war Ribarz
kein rechter Wiener und hat niemals die so oft ver-
schwenderisch bezeugte Gunst unserer Stadt genossen.
1 87 j ging er, der mit Schindler undjettel Zimmermann-
Schüler gewesen, nach Paris, wo er sechzehn Jahre in
Arbeit und oft bitteren Entbehrungen das Leben eines
Bohemiens führte, aber auch seine künstlerische Heimat
fand. Es war damals dem Kämpfen und Wirken der
Meister von Barbizon ein glorreicher Sieg gefolgt, die
„paysage intime" aus dem befehdeten Schlagwort einer
einsamen Gruppe zum allgemeinenBekenntnis geworden.
Und niemand bekannte sich freudiger zur fontainebleauer
Lehre als der junge Ribarz. Rousseau und Troyon waren
schon lange tot, Millet und Corot eben gestorben. Aber
Daubigny und Dupre lebten noch, und zu beiden durfte
er in persönliche Beziehungen treten. Daubigny wies
ihn einmal von der gegenständlichen Zeichnung auf die
malerische Erscheinung, ihm so die entscheidenden
Direktiven gebend; Dupre, dem in einem Kunstladen

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