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Carl Oderichs Löwenschlacht. — Nekrologe.
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Links (von uns) die bedeutendste des Ganzen: ein
Löwe hat sich in ein hoch sich aufbäumendes
Ross verbissen, der Mann auf dem Streitwagen holt
mit der Axt zu furchtbarem Schlage aus. Unten
vor dem Streitwagen, auf dem Boden liegend, wehrt
sich noch ein Kheta mit der letzten Kraft gegen
einen gewaltigen Löwen, der die Tatze schon in sein
Schulterblatt eingeschlagen hat. Auf der rechten
Seite im Hintergrunde: die kühne Gruppe des Reiters,
der sich gleichzeitig gegen zwei Löwen wehren muss;
kaum erhält er sich noch auf seinem Rosse, das
hoch aufbäumt gegen die Löwin, die ihm an die
Kehle gesprungen. Im Vordergrunde vorwärts drän-
gende Kheta, fallende Kheta, ein prächtiger Greis, nackt,
holt hegend noch zum Schlage mit der Kriegssichel
gegen eine mächtige Löwin aus, die aus dem Bilde
herauszuspringen droht . . . Dies beiläufig, um doch
nur eine Andeutung von der Leidenschaft und Er-
regtheit der Menschen und Tiere auf diesem Ge-
mälde zu geben. Natürlicherweise waren es vor
allem die Löwen, die den Maler zur Schöpfung des
Bildes gereizt haben. Und in der That: fehlt dieser
„Löwenschlacht" (zunächst wohl nur wegen des be-
fremdenden Kolorits) die erste unmittelbare Wir-
kung, so gehört sie doch zu jenen Kunstwerken, die
ein langes Ansehen nicht bloss fordern, sondern auch
lohnen. Die ungemeine Sorgfalt, die Oderich auf
das Studium der Natur, des Menschen wie des Tieres,
der Löwen wie der Pferde, des Kostüms wie der
Waffen, verwendet hat, und das Talent, welches er
zeichnerisch darin bekundet, zwingen ihm den vollen
Respekt des Beschauers ab. Löwen in dieser Kühn-
heit und Ursprünglichkeit der Bewegung dürften
wohl noch nicht gemalt worden sein. Auch einzelne
Stellungen der Menschen (wie z. B. dieZeichnung des die
Palme flüchtend hinankletternden Hirten) bezeugen
das grosse Können dieses energischen und zäh fleissi-
gen Künstlers. Und dabei ist er fern von aller Ko-
ketterie und hält sich mit Bewusstsein in den Gren-
zen des guten Geschmacks. Er hat uns den Anblick
des Grässlicken erspart und seine eindringenden Ko-
stümstudien bescheiden und unauffällig verwertet.
Nirgends ist er konventionell und doch auch nir-
gends naturalistisch: ein ernster, hoher Geist jeden-
falls, dem nur zu wünschen ist, dass er seine seltene
Energie Stoffen zuwende, die mehr Aussicht auf un-
mittelbare Wirkung und auf Teilnahme weitester
Kreise haben. Dass er wohl dazu fähig ist, hat uns
der Umblick in seinem Atelier gelehrt, wo Studien
in Öl (Porträts, Tiere, Kompositionen) und Wasser-
farben (Landschaften) von der reichen und mannig-
faltigen Begabung Oderichs Zeugnis ablegen. Es
bedarf dieses eigensinnige Talent nur noch mehr
Fühlung mit den Bedürfnissen des kunstliebenden
Publikums, mehr Leichtigkeit und Elasticität im
Schaffen (Eigenschaften, die sich sehr wohl durch
Selbstzucht erwerben lassen), um das Grosse zu leisten,
was seine erste volle Kraftprobe, die Löwenschlacht,
in Aussicht stellt.
Oderich steht jetzt im 34. Lebensjahre und
stammt aus Hagenow bei Schwerin. Er hat die
Kunstschulen von Karlsruhe und Berlin (bei Gussow)
besucht, bevor er zu Makart kam. Sein Gemälde
gelangt im September oder Oktober zur öffentlichen
Ausstellung in Wien.
Wien.
M. N.
NEKROLOGE.
H. A. L. Mit dem am 13. Juni verstorbenen Professor
Arnold ist ein Mann dahingeschieden, der lange Jahre hin-
durch nicht nur in Dresden, sondern weit und breit in ganz
Sachsen eine hervorragende Stellung als Architekt und Be-
rater in allen Bauangelegenheiten eingenommen hat. Chri-
stian Friedrich Arnold wurde am 12. Februar 1823 zu Dre-
bach im sächsischen Erzgebirge geboren, besuchte die Ge-
werbeschule zu Chemnitz und kam dann nach Dresden, um
an der Königl. Bauakademie unter Heine und Semper Ar-
chitektur zu studiren. Namentlich trat er zu Semper in ein
näheres Verhältnis, welcher ihn mehrfach bei seinen Bauten,
z. B. bei dem bekannten römischen Haus an der Bürger-
wiese, praktisch beschäftigte. Nachdem es Arnold im Jahre
1849 gelungen war, den grossen Staatspreis und damit ein
Stipendium zu erringen, begab er sich auf Reisen, die ihn
in den Jahren 1850 bis 1852 durch Süddeutschland nach
Italien, Frankreich und Belgien führten. Noch vor seiner
Rückkehr in die Heimat erhielt Arnold einen Ruf als Lehrer
an die Kunstakademie. Im Jahre 1861 wurde er zum ordent-
lichen Professor an ihr ernannt, als welcher er bis zum Jahre
1885 Unterricht in der monumentalen Architektur und in
der Perspektive erteilte. Sein Nachfolger wurde Prof. Weiss-
bach. In seinen Bauten huldigte Arnold mit Vorliebe dem
gotischen Stil, der durch ihn in Dresden und Sachsen eine
Zeit lang wieder belebt wurde. Unter seiner Leitung er-
folgte in den Jahren 1864 bis 1868 die vollständige Erneue-
rung der protestantischen Hof- oder Sophienkirche, ein Werk,
das mit Hinsicht auf die verhältnismässig geringen zur Ver-
fügung stehenden Mittel als eine vortreffliche Leistung an-
kannt werden muss. Gleiches Lob wird man kaum der
gleichfalls nach Arnolds Plänen in den Jahren 1864 bis 1865
aufgeführten Kreuzschule am Georgplatz spenden können,
obwohl der monumentale Eindruck ihrer Fassade nicht ge-
leugnet werden soll. Bekanntlich hat damals, als es sich
um die Planung der Kreuzschule handelte, Hermann Hettner
entschieden seine Stimme gegen die Wahl des gotischen
Stiles erhoben, und gegenwärtig dürfte es wohl nicht viel
sachverständige Männer mehr geben, die nicht mit Hettner
in diesem Punkte vollständig übereinstimmen. Gotischen
Stil und zwar den der englischen Gotik zeigt auch die drei-
türmige Villa Souchay auf dem Albrechtsberg bei Loschwitz.
Arnold erbaute sie im Auftrage des Engländers Souchay,
wie es heisst, nach dem Muster eines Schlosses, das Souchay
Carl Oderichs Löwenschlacht. — Nekrologe.
496
Links (von uns) die bedeutendste des Ganzen: ein
Löwe hat sich in ein hoch sich aufbäumendes
Ross verbissen, der Mann auf dem Streitwagen holt
mit der Axt zu furchtbarem Schlage aus. Unten
vor dem Streitwagen, auf dem Boden liegend, wehrt
sich noch ein Kheta mit der letzten Kraft gegen
einen gewaltigen Löwen, der die Tatze schon in sein
Schulterblatt eingeschlagen hat. Auf der rechten
Seite im Hintergrunde: die kühne Gruppe des Reiters,
der sich gleichzeitig gegen zwei Löwen wehren muss;
kaum erhält er sich noch auf seinem Rosse, das
hoch aufbäumt gegen die Löwin, die ihm an die
Kehle gesprungen. Im Vordergrunde vorwärts drän-
gende Kheta, fallende Kheta, ein prächtiger Greis, nackt,
holt hegend noch zum Schlage mit der Kriegssichel
gegen eine mächtige Löwin aus, die aus dem Bilde
herauszuspringen droht . . . Dies beiläufig, um doch
nur eine Andeutung von der Leidenschaft und Er-
regtheit der Menschen und Tiere auf diesem Ge-
mälde zu geben. Natürlicherweise waren es vor
allem die Löwen, die den Maler zur Schöpfung des
Bildes gereizt haben. Und in der That: fehlt dieser
„Löwenschlacht" (zunächst wohl nur wegen des be-
fremdenden Kolorits) die erste unmittelbare Wir-
kung, so gehört sie doch zu jenen Kunstwerken, die
ein langes Ansehen nicht bloss fordern, sondern auch
lohnen. Die ungemeine Sorgfalt, die Oderich auf
das Studium der Natur, des Menschen wie des Tieres,
der Löwen wie der Pferde, des Kostüms wie der
Waffen, verwendet hat, und das Talent, welches er
zeichnerisch darin bekundet, zwingen ihm den vollen
Respekt des Beschauers ab. Löwen in dieser Kühn-
heit und Ursprünglichkeit der Bewegung dürften
wohl noch nicht gemalt worden sein. Auch einzelne
Stellungen der Menschen (wie z. B. dieZeichnung des die
Palme flüchtend hinankletternden Hirten) bezeugen
das grosse Können dieses energischen und zäh fleissi-
gen Künstlers. Und dabei ist er fern von aller Ko-
ketterie und hält sich mit Bewusstsein in den Gren-
zen des guten Geschmacks. Er hat uns den Anblick
des Grässlicken erspart und seine eindringenden Ko-
stümstudien bescheiden und unauffällig verwertet.
Nirgends ist er konventionell und doch auch nir-
gends naturalistisch: ein ernster, hoher Geist jeden-
falls, dem nur zu wünschen ist, dass er seine seltene
Energie Stoffen zuwende, die mehr Aussicht auf un-
mittelbare Wirkung und auf Teilnahme weitester
Kreise haben. Dass er wohl dazu fähig ist, hat uns
der Umblick in seinem Atelier gelehrt, wo Studien
in Öl (Porträts, Tiere, Kompositionen) und Wasser-
farben (Landschaften) von der reichen und mannig-
faltigen Begabung Oderichs Zeugnis ablegen. Es
bedarf dieses eigensinnige Talent nur noch mehr
Fühlung mit den Bedürfnissen des kunstliebenden
Publikums, mehr Leichtigkeit und Elasticität im
Schaffen (Eigenschaften, die sich sehr wohl durch
Selbstzucht erwerben lassen), um das Grosse zu leisten,
was seine erste volle Kraftprobe, die Löwenschlacht,
in Aussicht stellt.
Oderich steht jetzt im 34. Lebensjahre und
stammt aus Hagenow bei Schwerin. Er hat die
Kunstschulen von Karlsruhe und Berlin (bei Gussow)
besucht, bevor er zu Makart kam. Sein Gemälde
gelangt im September oder Oktober zur öffentlichen
Ausstellung in Wien.
Wien.
M. N.
NEKROLOGE.
H. A. L. Mit dem am 13. Juni verstorbenen Professor
Arnold ist ein Mann dahingeschieden, der lange Jahre hin-
durch nicht nur in Dresden, sondern weit und breit in ganz
Sachsen eine hervorragende Stellung als Architekt und Be-
rater in allen Bauangelegenheiten eingenommen hat. Chri-
stian Friedrich Arnold wurde am 12. Februar 1823 zu Dre-
bach im sächsischen Erzgebirge geboren, besuchte die Ge-
werbeschule zu Chemnitz und kam dann nach Dresden, um
an der Königl. Bauakademie unter Heine und Semper Ar-
chitektur zu studiren. Namentlich trat er zu Semper in ein
näheres Verhältnis, welcher ihn mehrfach bei seinen Bauten,
z. B. bei dem bekannten römischen Haus an der Bürger-
wiese, praktisch beschäftigte. Nachdem es Arnold im Jahre
1849 gelungen war, den grossen Staatspreis und damit ein
Stipendium zu erringen, begab er sich auf Reisen, die ihn
in den Jahren 1850 bis 1852 durch Süddeutschland nach
Italien, Frankreich und Belgien führten. Noch vor seiner
Rückkehr in die Heimat erhielt Arnold einen Ruf als Lehrer
an die Kunstakademie. Im Jahre 1861 wurde er zum ordent-
lichen Professor an ihr ernannt, als welcher er bis zum Jahre
1885 Unterricht in der monumentalen Architektur und in
der Perspektive erteilte. Sein Nachfolger wurde Prof. Weiss-
bach. In seinen Bauten huldigte Arnold mit Vorliebe dem
gotischen Stil, der durch ihn in Dresden und Sachsen eine
Zeit lang wieder belebt wurde. Unter seiner Leitung er-
folgte in den Jahren 1864 bis 1868 die vollständige Erneue-
rung der protestantischen Hof- oder Sophienkirche, ein Werk,
das mit Hinsicht auf die verhältnismässig geringen zur Ver-
fügung stehenden Mittel als eine vortreffliche Leistung an-
kannt werden muss. Gleiches Lob wird man kaum der
gleichfalls nach Arnolds Plänen in den Jahren 1864 bis 1865
aufgeführten Kreuzschule am Georgplatz spenden können,
obwohl der monumentale Eindruck ihrer Fassade nicht ge-
leugnet werden soll. Bekanntlich hat damals, als es sich
um die Planung der Kreuzschule handelte, Hermann Hettner
entschieden seine Stimme gegen die Wahl des gotischen
Stiles erhoben, und gegenwärtig dürfte es wohl nicht viel
sachverständige Männer mehr geben, die nicht mit Hettner
in diesem Punkte vollständig übereinstimmen. Gotischen
Stil und zwar den der englischen Gotik zeigt auch die drei-
türmige Villa Souchay auf dem Albrechtsberg bei Loschwitz.
Arnold erbaute sie im Auftrage des Engländers Souchay,
wie es heisst, nach dem Muster eines Schlosses, das Souchay