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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Neues aus Venedig, [4]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0165

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313

Neues aus Venedig — Nekrologe — Personalien — Funde

314

NEUES AUS VENEDIG

Wie anzunehmen, werden nun, nachdem die 3076 ein-
gerammten Pfähle, unter sich aufs dichteste zu einer einzigen
Masse verbunden, den alten Fundamenten des Campanile
jene Festigkeit gewähren, welche nötig erscheint, der
großen Belastung durch das Bauwerk gerecht zu werden.
Nachdem nun diese Vorarbeiten beendigt sind, haben die
Steinmetzen ihre Tätigkeit begonnen mit dem Zurichten
der großen Blöcke, welche nun als unterste Bauschicht zur
Verwendung kommen werden. In Bälde wird mit dem Ziegel-
bau begonnen werden. 50 Arbeiter sind zur Zeit beschäftigt.

Gleichzeitig hat nun unter Leitung Lavezzaris die Ein-
nistung der durch den Einsturz des Glockenturmes herabge-
rissenen Schmalfassade von Sansovinos Bibliothek begonnen.
— Es konnten diese Arbeiten erst in Angriff genommen
werden, nachdem die Fundamentarbeiten am Campanile
beendet waren; durch die unmittelbare Nachbarschaft beider
Bauwerke war eins dem andern untergeordnet. Mittler-
weile jedoch sind alle zur Verwendung kommenden Ver-
satzstücke aus istrischem Marmor fertig gestellt worden.
Beim Einsturz des Campanile geriet die ganze stehenge-
bliebene Ecke von Sansovinos Bau in starke Neigung nach
vorn. Ohne diese Teile abzutragen wird man nun die
Lotrechtstellung durch die Verbindung mit den neuaufzu-
führenden Baugliedern erreichen. Die Arbeiten bezüglich
des bildnerischen Schmuckes sind längst vergeben und man
verspricht, daß die Wiederaufrichtung der Fassade nicht
allzuviel Zeit in Anspruch nehmen werde.

Im Dogenpalaste wird aufs fleißigste gearbeitet. Die
große Freske des Guariento ist glücklich von der Mauer
gelöst worden. Man ist schon geraume Zeit mit der Er-
neuerung der ganzen Mauer von den Fundamenten an
beschäftigt. Die Wand des Jüngsten Gerichtes im an-
stoßenden Saale ist vollkommen neu aufgeführt worden
und hat jetzt nur zu trocknen, ehe ihr Bilderschmuck
wieder angebracht werden kann.

In der Markuskirche werden jetzt jene Sicherungs-
arbeiten vorgenommen, von welchen ich in meinem letzten
Berichte, als für nötig erkannt, sprach. Der dritte Teil
des Hauptschiffes der Kirche ist abgesperrt, zum Zweck
der Einnistung des großen Gewölbebogens, welchen die
Mosaik der Offenbarung Johannis bedeckt. Es wird jahre-
lang dauern, bis dieser Teil der Kirche wieder freigegeben
werden kann.

In der Frarikirche nehmen die Arbeiten immer größere
Ausdehnung an. Mehr als die Hälfte der Kirche ist ein-
gerüstet. Allüberall wird gearbeitet. — Die Sakristei, sowie
die großen Grabdenkmäler Tizians und Canovas fast un-
sichtbar.

Am Canal grande ist die altgotische Fassade des
Palazzo Wolkoff völlig neu aufgebaut worden, weil die
alte gefahrdrohend geworden war, sowie der dicht dabei-
liegende Palazzo Doria, jedermann als der schiefste Palast
Venedigs bekannt, jetzt in seinen Fundamenten gründlich
erneuert wird, da alles Reparieren von innen heraus bis
jetzt nichts fruchtete.

Eine Verbreiterung des Kanals und der Straßengänge
zwischen S. Marco (Canino Orseolo) und S. Luca, dem
Zentrum der Stadt, ist nahezu beendet und gab einigen
Architekten in Nachahmung Sardis, der damit den genialen
Anfang machte, Gelegenheit, in altvenezianischem Stile und
Farbe zu bauen. Besonders erfreulich ist der Palast an
der Ecke der Brücke, die zum Bankgebäude bei S. Gatto
führt, zu welchem N. Piamonte die Pläne fertigte. Es kann
nicht freudig genug begrüßt werden, daß die hiesigen
Baumeister nach und nach zur Überzeugung gelangen, daß
hier in Venedig anders gebaut werden müsse als in irgend
einem beliebigen kleinen Landstädtchen. a. wolf.

NEKROLOGE

Eugen Guillaume f. Der im Alter von 83 Jahren in
Rom verstorbene französische Bildhauer war kein Menzel.
Die letzten zehn oder fünfzehn Jahre seines Lebens hat er
sozusagen nichts mehr getan. Und selbst beim wohl-
wollendsten Urteil über seine Hauptwerke kann man gerade
nicht sagen, daß die Kunst Frankreichs und der Welt durch
dieses Brachliegen seiner Kräfte etwas verloren hätte.
Guillaume war das Urbild des Akademikers. Ordentlich,
fleißig, brav, korrekt, alles was man will, nur kein Genie,
nur keine Individualität, kein persönliches Talent. Seine
besten Arbeiten, die beiden Gracchen und die römische
Hochzeit, sind römischen Arbeiten dermaßen nachempfunden,
daß man sie in Rom hätte ausgraben und als antike römische
Skulpturen in die Museen bringen können. Nebenbei war
er auch Schriftsteller. Er hat drei Bücher veröffentlicht,
die sicherlich zum trockensten und langweiligsten gehören,
was je ein Künstler über seine Kunst gesagt hat. Diese
Bücher haben ihn in die Akademie der vierzig Unsterblichen
gebracht, und seine akademische Schulmeisterlichkeit hatte
ihn ganz hervorragend zu dem Posten befähigt, den er bis
vor zwei Monaten als Direktor der französischen Akademie
in Rom inne hatte. Da brauchte er nichts mehr zu arbeiten
und hatte weiter nichts zu tun, als den heimlich gähnenden
oder lachenden jungen Künstlern seine abgedroschenen
Lehren vorzutragen. Sein Nachfolger ist, wie früher schon
gemeldet, Carolus Duran, gegen den sich bereits die Stürme
der Rebellion angemeldet haben. Die sämtlichen Schüler
der Akademie in Rom haben ein Schriftstück unterzeichnet
und veröffentlicht, worin der neue Direktor grausam kriti-
siert und verspottet wird, und wenn Herr Duran nicht
sehr vorsichtig ist, wird es mit seiner römischen Herrlich-
keit nicht lange dauern. k- e. s.

Am 23. März starb in Berlin der Maler und Radierer
Heinrich Kohnert. Er war am 3. Mai 1850 zu Tilsit
geboren, studierte in Königsberg und Berlin und wendete
sich im wesentlichen der Landschaftsmalerei zu, er war
besonders als Radierer lange Zeit geschätzt.

PERSONALIEN
Der bekannte Kunsthistoriker Cornel von Fabriczy,
der als Privatgelehrter in Stuttgart lebt, und die Sommer-
monate zum Zweck seiner Studien regelmäßig in Italien
verbringt, ist von der philosophischen Fakultät der Uni-
versität Tübingen zum Ehrendoktor ernannt worden. Das
Elogium, in welchem auf seinen früheren Beruf als Eisen-
bahningenieur angespielt wird, lautet: Philosophorum ordo
. . . Cornelium de Fabriczy, natione Hungarum, eruditione
Germanum, qui studiis a Vulcano ad Musas translatis et
testimonia de artificum Italicorum vitas scripta et ipsa
illorum opera diligentissime perscrutando sagacissime ex-
plicando historiae artium largam rerum memorabilium antea
incognitarum copiam addidit, . . . doctorem erat . . .

FUNDE

Der Dresdener Anzeiger vermeldet folgendes: An dem
berühmten Flügelaltar der Liebfrauenkirche zu Arnstadt
hat der Konservator der Kunstdenkmäler Thüringens Pro-
fessor Voß jetzt eine Entdeckung gemacht, die über den
lange vergebens gesuchten Ursprung dieses Meisterwerkes
der thüringischen Holzschnitzkunst Aufschluß giebt. Voß
hat einige der in Holz geschnitzten und in reichen Farben
bemalten Figuren photographieren lassen und sie auf seinen
Reisen mit ähnlichen Schnitzereien und Malereien in den
sächsisch-thüringischen Ländern verglichen. Dieselbe höchst
merkwürdige Form der Köpfe, mit den eigentümlich kugel-
förmigen Stirnen und dem selig lächelnden Gesichtsausdruck
 
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